Historische Fakten


Als die herausragendste Gestalt des Traminer Egetmann-Umzug darf mit Recht das „Schnappviech“ gelten. Ältere schriftliche Belege für diese Fasnachtsfigur sind recht karg. Dass es sich hierbei aber um einen lokalen Brauch handeln muss, belegt der in Tramin gebräuchliche Name für das „Schnappviech“, nämlich „Wudele“, bzw. „Wudala“. Alois Menghin spricht in seiner Sammlung mundartlicher Unterländler Tiernamen aus dem Jahre 1884 von „Wuodlan“ und meint damit einen hier üblichen –Ausdruck für Ziegen. Laut Konrad Mautner war die Bezeichnung „Wudl, wudl“ ein weit verbreiteter Lockruf für Geißen. Dieser alte Mundartausdruck für Ziege und Geiß lässt die Fasnachtsfigur „Schnappviech“ eindeutig mit der „Habergeiß“ in Verbindung treten. Wenn Zingerle im Jahr 1871 von der „Habergeiß“ beim Nikolausspiel in Oberstein schreibt, dass diese „einen hölzernen Geiskopf hat, dessen untere Kinnlade beweglich ist und womit es klappt“, so könnte er damit auch das Traminer „Wudele“ gemeint haben. Die „Habergeiß“ gilt in der alpenländischen Sagentradition als Teufelsvogel, Todesvogel und als Teilnehmer der Wilden Fahrt. Der Glaube an dieses Geistervieh war einst auch in Tramin verbreitet, wo es als Kinderschreck gedient hatte. Im Ötztal stellte man sich die „Habergeiß“ als glühenden Drachen vor, anderorts aber als ein zwitterhaftes Gespenst, bestehend aus einem Uhu, der mit einer Ziege zusammengewachsen ist.
Solcherlei tierische Zwittergestalten traten auch schon bei fasnächtlichen „Schembartläufen“ und höfischen Festaufzügen im Spätmittelalter auf. Dem „Schnappviech“ ähnliche Brauchtumsmasken treten nicht nur als „Habergeiß“, sondern auch als „Lutzilfrau“, „Schnabelpercht“, „Schnabelgeiß“, „Wasservogel“ oder „Gmoosgoaß“ in vielen alpenländischen Bräuchen auf. Eine ähnliche Tierfigur erscheint auch bei den Wintersonnwendfeiern in Moldawien.
Der möglicherweise gemeinsame Ursprung dieser Figuren bleibt ungewiss. Wie bei jeder Brauchtumsfigur gehen einige Forscher auch hier von einem heidnischen Brauchtum aus. So interpretiert man das dem „Schnappviech“ ähnliche Wesen in Moldawien als Ziege im Gefolge des griechischen Weingottes Bacchus und das lustige Brauchtum als Überbleibsel der antiken Fruchtbarkeitsfeiern, „Bacchanalen“ genannt.
Da die Traminer „Schnappviecher“ während des Egetmann-Umzug stets von einem Metzger begleitet werden, könnte man dieses Brauchtum auch mit spätmittelalterlichen städtischen Bräuchen in Verbindung bringen. Laut Hans Moser war zur Fasnachtszeit in vielen Städten das Umführen, Jagen und Stechen eines Rindes, in Verbindung mit Umzügen und Heischegängen (heischen: veraltete für begehren, bitten, fordern), durch die Metzgerzunft üblich. Das getrieben Rind wurde hierbei oft durch eine Attrappe dargestellt, so auch in der bayrischen Stadt Hof im Jahre 1566, wo ein Metzger „mit einer rauhen Ochsenhaut und Hörnern auf dem Kopf vermummt“ durch die Stadt lief und „sonderlich das Bauersvolk mit Stößen wohl fixierte“. Moser bringt diese Hatz nicht so sehr mit alten Opferkultriten in Verbindung, sondern sieht darin eine Versinnbildlichung der Schlachtung des letzten Rindes vor der Fastenzeit. Auch in Tramin wird das „Schnappviech“ vom Metzger symbolisch geschlachtet, was hier von einigen Forschern als Sieg über den Winter gewertet wird.

Quelle: Buch-Egetmann Hansls Hochzeit, Tramin – Ein Dorf im Ausnahmezustand, 2008, Athesia Druck Brixen, Herausgeber: Egetmann-Verein-Tramin